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Vom Sterben und vom Leben

Wenn uns ein Haustier verlässt, es „auf die andere Seite der Regenbogenbrücke“ geht, so trauern wir. Es verlässt uns ein liebgewordener Vertrauter, ein Begleiter, ein Freund. Es bleiben uns die Erinnerungen, die tief empfundenen Gefühle, die gegenseitige Liebe.

 

Wenn wir einen eng vertrauten Menschen verlieren, so ist das ein tief empfundener Verlust. Der Schmerz für den Moment scheint übermächtig und es braucht die Zeit der Trauer, um den Verlust wie auch den Schmerz darüber in das eigene Leben zu integrieren.

 

Das Sterben, der Tod gehört zum Leben dazu. Der Schatten gehört zum Licht. Die Nacht gehört zum Tag. Wiederkommen kann ich nur, wenn ich los gehe, mich entferne. Nähe kann ich empfinden, wenn ich die Distanz kenne. Und doch klammern wir so gern das Sterben und den Tod als Themen aus unseren Gesprächen aus. Weil es schon schmerzt, allein daran zu denken? Weil schon die Vorstellung, jemanden zu verlieren, zu bedrängend scheint? Als Schwangere bzw. als werdende Eltern können wir einen Geburtsvorbereitungskurs besuchen. Von einem Kurs zur Vorbereitung auf das Sterben lese ich seltenst. Und doch wäre es so wichtig, sich mit dem Sterben und dem Tod zu befassen – nämlich für das eigene Leben!

 

Zum Einen, um mit dem Sterben und Tod eines anderen einfacher umgehen zu können, leichter, unbeschwerter und damit ohne Anstrengung empathisch und authentisch. Zum Anderen, weil das eigene Sterben und der eigene Tod eine feste Größe im eigenen Leben ist. Im Bewusstsein dieser Größe, im bewusst werden der eigenen Sterblichkeit kann es sein, dass wir unser Leben anders ausrichten: Die Gewichtung dessen, was mir wirklich wichtig ist, kann sich verschieben, meine Haltung zu vielerlei Themen kann sich verändern, meine gelebten Werte, Vorstellungen und Ideale, das, was ich erreichen, was ich in meinem Leben verwirklichen möchte, bin ich bereit zu überdenken und vielleicht sogar grundlegend neu zu gestalten.

 

Oftmals ist es so, dass es eines Anstoßes von außen bedarf, um sich an das Thema Sterben und Tod im weitesten Sinne heran zu wagen. Und ganz sicher ist es so, dass es gut tut, eine liebevolle Begleitung dabei zu wissen. Doch es bleibt jedem selbst überlassen, es bleibt ganz in der Entscheidung des Einzelnen, wie weit man hineintaucht, wie viel man sich damit befasst, wie sehr man daraus als Potential zu Veränderungen im eigenen Leben schöpft.

Es gibt inzwischen viel Lesenswertes… und so Manches an tradiertem oder geglaubtem Wissen, das es getrost wert ist, nicht weiter geglaubt zu werden.

 

Ich meine, egal, wie man sich dem Thema annähert - das Besondere könnte darin liegen, die Angst davor zu verlieren. Das Beste könnte sein, dass ich mich darüber mir selbst und meinem Leben, meinem DA-SEIN auf dieser Erde annähere. Möglicherweise schöpfe ich daraus dann Kraft zur Gestaltung und vielleicht erfahre ich in mir einen bis dahin nie gekannten Lebenswillen, der mich über so manche Klippe trägt. Wir wünschen uns Glück, wir streben nach Glückseligkeit, Liebe, Leichtigkeit, Zufriedenheit… womöglich liegt ein Zugang dazu ja in der ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Ende des (eigenen) Lebens? Zumindest möchte ich diesem Gedanken Raum geben. Lassen Sie mich als Inspiration und zum Nachsinnen den Text „Die sterbende Rose und das neue Leben“, zurückgehend auf Roland Leonhardt, anfügen…

 

Eines Tages ging ich zur welken Rose hin. Die Sonne strich sanft über ihre schon weichen und welken Blätter. Und ich sah, dass sie bald sterben würde. "Hast du Angst vor dem Tod", fragte ich sie. Darauf antwortete sie: "Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt, soviel ich konnte. Kann man mehr von mir verlangen? Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben."

 

… und mit einem Zitat von Antoine Saint-Exupéry aus „Der kleine Prinz“ enden:

 

„Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. […] Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so, zum Vergnügen … Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: ‚Ja, die Sterne, die bringen mich immer zum Lachen!‘ […]“